Nichts, was du auf Social Media siehst, wird zufällig angezeigt. Er bestimmt, was du siehst und kennt dich wahrscheinlich besser, als du dich selbst: der Algorithmus. Wie genau funktionieren aber die Algorithmen auf Social Media? Wie kann man sie als Unternehmen vielleicht auch für sich nutzen? Das erfährst du hier.
Was ist ein Algorithmus?
In den sozialen Medien wird dir nicht zwingend das neuste oder wichtigste Thema angezeigt, sondern das, wovon der Algorithmus meint, dass es dich am ehesten interessieren könnte. Wenn du als User Inhalte siehst, die genau zu deinen Vorlieben passen (oder ganz im Gegenteil – darauf kommen wir später nochmal zurück), verbringst du mit größerer Wahrscheinlichkeit mehr Zeit auf einer App. Und das wiederum ist von Vorteil für die jeweilige Plattform. So kann unter anderem mehr Werbung ausgespielt werden.
Ein Algorithmus basiert auf mathematisch-wissenschaftlichen Gleichungen und sortiert den gesamten Inhalt auf einer Plattform anhand von Daten vor.
Alle Algorithmen auf den unterschiedlichen Social-Media-Plattformen haben einige Gemeinsamkeiten:
- Faktor 1: Interaktionen Die Algorithmen berücksichtigen Likes, Kommentare, Shares, Speicherungen (Saves), Klicks und Abonnements. Beiträge mit mehr Interaktionen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, im „Für Dich“-Feed oder den Empfehlungen anderer Benutzer angezeigt zu werden. Facebook räumt nach eigenen Angaben Beiträgen, die „Unterhaltungen anregen und sinnvolle Interaktionen ermöglichen“, höhere Priorität ein. Konkret bei Videoinhalten spielen auch die Sehdauer (also wie lange ein Video im Durchschnitt angeschaut wird) und Wiedergabewiederholungen eine Rolle.
- Faktor 2: Nutzeraktivität Algorithmen analysieren die Aktivität der User.
- Mit welcher Art von Bild oder Video hast du interagiert?
- Worum geht es in diesem Video?
- Wie oft hast du noch mit ähnlichen Themen interagiert? Daraus lassen sich deine Interessen und Vorlieben ableiten.
- Zu welchem Zeitpunkt siehst du ihn dir an?
- Wie häufig interagierst du mit bestimmten Profilen?
- Wie lange siehst du dir einen Beitrag an? Längere Betrachtungszeiten signalisieren eine höhere Relevanz des Inhalts.
- Welche Kommentare postest du?
- Welche Kommentare gefallen dir, welche dislikest du?
- Faktor 3: Aktualität Neuere Beiträge haben tendenziell eine höhere Sichtbarkeit. Bei Plattform X (ehemals Twitter) ist diese chronologische Relevanz von sehr hoher Bedeutung.
- Faktor 4: Trends und beliebte Themen Social Media Plattformen sind dynamisch und trendorientiert. Es gibt immer wieder Aktionen, Challenges oder bestimmte innovative Formate, die sich in vielen Videos wiederholen, viral gehen bzw. in kurzer Zeit eine hohe Reichweite und Interaktionsrate erzielen und deshalb häufiger empfohlen werden. Beispiele: 90s KI-generiertes Face-Swap auf Instagram, Katzenmemes auf TikTok oder Food-Challenges auf YouTube. Wie errät der Algorithmus, worum es in einem Beitrag geht? Das schafft er anhand der Bild- oder Videobeschriftung, der Tonspur und Analyse von Pixeln und Frames. Mit Hashtags kann das besonders schnell eingeordnet werden. Je beliebter ein Beitrag, desto höher die Wahrscheinlichkeit in deiner „For You“-Seite aufzutauchen.
- Faktor 5: Suche Generell gilt, dass Inhalte, nach denen du mit der Suchfunktion Ausschau hältst und mit denen du interagierst, dir nach kurzer Zeit vorgeschlagen werden. Auf YouTube ist diese Funktion sehr stark ausgeprägt, da diese Plattform als Suchmaschine genutzt wird. So kannst du also aktiv lenken, was du auf Social Media sehen möchtest.
- Faktor 6: visuelle Qualität Tatsächlich sind Hochglanzfotos oder eine perfekte Kameraführung mit teurem Equipment nicht unbedingt notwendig. Handyaufnahmen reichen in den meisten Fällen für Kurzvideos vollkommen aus. Aber Beiträge mit guter Bild- und Videoqualität (nichts Verpixeltes oder keine unscharfen Aufnahmen) sowie ein klarer Ton und eine gute Ausleuchtung sollten stimmen, um eine Chance auf einen Platz in den Empfehlungen von Usern zu erhalten. Darüber hinaus sollte das Seitenverhältnis zu der jeweiligen Plattform passen, 16:9 für lange YouTube-Videos , 9:16 für TikToks, Reels, Shorts, Storys.
Wie die Algorithmen von Instagram und Facebook, TikTok oder YouTube im Detail funktionieren, ist natürlich nicht bekannt. Es handelt sich um firmeneigene Geheimformeln. Dennoch lassen sich mit genauer Beobachtung auch einige weitere Funktionsweisen erahnen. Wichtig: bei den folgenden Ausführungen handelt es sich um unbestätigte Vermutungen. Diese beziehen sich dabei vor allem auf TikTok.
- Geografische Lage: TikTok greift auf deinen Standort zurück, um lokale Inhalte zu fördern.
- Interaktionshistorie: Auf den „Für Dich“-Seiten werden dir Inhalte von Erstellern angezeigt, die du entweder noch nicht kennst oder mit den du schon einmal interagiert hast. Wenn man den Erstellern, mit denen bereits Interaktionen nachzuweisen sind, noch nicht folgt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man sie häufiger angezeigt bekommt.
- Zielgruppe: Der Algorithmus ordnet dich wahrscheinlich anhand der Informationen von den Beiträgen, mit denen du interagierst und in welcher Form du interagierst, einer Altersgruppe bzw. Generation, Interessengemeinschaft und einem Milieu zu und vergleicht das Nutzerverhalten mit dir ähnlichen Personen. So bekommst du eventuell jene Inhalte angezeigt, die ähnlich tickende Menschen mochten und geliket haben.
- Nachrichtenwert: Die Nachrichtenwert-Theorie wird im Journalismus genutzt und bezieht sich auf Werte, die potenzielle Aufmerksamkeit schaffen und aus diesem Grund in der Selektion für die Berichterstattung Anwendung finden. Dazu zählen unter anderem Prominenz, Dramatik, Sex oder Gefühle. Es wäre möglich, dass diese Nachrichtenwerte auch vom Algorithmus ausgewertet werden und die hochgeladenen Inhalte nach diesen sortiert sind. Beispiel Prominenz: Jeder kennt mittlerweile den Glambot auf dem Redcarpet. Aber auch kulturabhängige Nachrichtenfaktoren könnten berücksichtigt werden, z.B. Schönheitsideale. Im Jahr 2021 hat ein Schweizer Doktorand nachgewiesen, dass die Plattform Twitter bestimmte Gesichtsmerkmale bevorzugte. Weiblich wirkende, junge Personen mit hellen, warmen Hauttönen und einem schlanken Gesicht wären somit im Rahmen ihres Experiments öfters vorgeschlagen worden.
- Negativität: Je negativer ein Ereignis (also je mehr Konflikt, Kontroverse, Aggression, Zerstörung, Chaos), desto stärker wird etwas beachtet. Solche Inhalte werden sicherlich nicht bewusst ausgespielt, aber dieser Faktor kommt vermutlich als Trigger bzw. Provokation zum Einsatz, indem dir z.B. eine komplett gegensätzliche Meinung – sei es politisch oder anderweitig – im „For-You“-Feed empfohlen wird. Aus diesem Grund ist das bekannte Konzept der Filterblasen nicht mehr ganz aktuell bzw. nicht vollständig, denn dir werden nicht nur Inhalte angezeigt, die deine eigene Meinung widerspiegeln.
Was kann man als Unternehmen tun, um den Algorithmus zu knacken?
Grundsätzlich ist es nicht möglich, den Algorithmus vollständig zu überlisten. Viele offensichtliche Versuche, wie z.B. tausende gekaufte Likes, werden oft schon vom Algorithmus erkannt und ein entsprechender Account wird daher tendenziell sogar schlechter gerankt. Es existieren auch ethisch fragwürdigere Maßnahmen, die tatsächlich für Engagement sorgen. Allen voran der gute alte reißerische Clickbait mit einer neugirig machenden Überschrift oder einem skandalösen Vorschaubild, wobei der Videoinhalt letztlich wenig mit diesem gemein hat. Auch mit absichtlich eingefügten Tippfehlern wurde bereits getrickst. Die User wiesen zuhauf auf diesen hin und der Account erzielte eine Menge Kommentare, was vom Algorithmus (entsprechend des Interaktionsfaktors) besser gerankt wurde. Da gibt es definitiv sinnvollere Lösungen, Interaktionen zu erzielen, die dir nicht dein professionelles Image zerstören.
Um echte Interaktionen anzuregen und somit die Wahrscheinlichkeit zu steigern, vom Algorithmus so eingestuft zu werden, dass der Account wächst, kann mit folgenden Tipps klappen:
- Setze auf qualitativ hochwertigen und relevanten Content: Verstehe deine Zielgruppe – die Menschen, welche du mit deinen Inhalten ansprechen und von dir überzeugen möchtest. Welche Inhalte schaffen Mehrwert für diese Leute? Analysiere deine eigene „For You“-Page und identifiziere Formate, die immer häufiger ausgespielt werden. Du musst dabei nicht jedem Trend hinterherrennen, jedoch können diese ab und zu Engagement fördern. Beachte dabei, dass der Trend mit deiner Markenbotschaft konform ist.
- Social Media SEO: Nutze im Beitrag und den Beschriftungen Keywords, um besser eingeordnet zu werden. Berücksichtige das auch in deiner Biografie bzw. den Account-Informationen und nutze SEO gerechte Hashtags.
- Call to Action: Da (frühe) Interaktionen ein wichtiges Ranking-Signal für alle Algorithmen darstellen, besteht eine Möglichkeit darin, in deinem Beitrag eine Handlungsaufforderung zu integrieren. Bestimmt hast du schon ein YouTube-Video gesehen, bei dem gesagt wird: „Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr ein Like und Abo da lasst“. Dabei sollte man nicht aufdringlich bitten, sondern für Engagement ermutigen und Anreize schaffen. Vielleicht kann man auch eine thematische Frage stellen, die nicht zu ignorieren ist.
- Kontinuität und Community-Management: Der Algorithmus belohnt regelmäßige Aktivität und Interaktion von Seiten eines Creators. Dementsprechend solltest du versuchen, dir feste Upload-Tage einzurichten, Verbindungen zu knüpfen und mit deiner Zielgruppe in Kontakt zu treten, indem du Kommentare beantwortest oder selbst welche verfasst. Falls du es aus Kapazitätsgründen als Unternehmsinhaber nicht gewährleisten kannst, gibt es viele externe Dienstleister, die diesen Job für dich übernehmen. Bei Futunik gibt es dieses Angebot auch zu günstigen Preisen.
- Zeiten zum Posten herausfinden: Leider lässt sich nicht pauschal sagen, wann Menschen am liebsten auf Social Media unterwegs sind. Das ist von Zielgruppe zu Zielgruppe unterschiedlich. Im B2B-Bereich ist es vielleicht eher am Anfang der Arbeitswoche zur Mittagszeit, bei junge Studenten vielleicht am Nachmittag zwischen den Vorlesungen. Hier sollte zunächst experimentiert werden, ganz nach dem Motto „Always be Testing“.
Experimentieren ist meistens auch das Stichwort. Es schadet nicht, verschiedene Methoden auszuprobieren und auf diesem Weg vielleicht sogar eine ganz andere Strategie zur Reichweitenerhöhung herauszufinden.